Bevor ich zu Hitchcocks großen Klassikern und Meisterwerken der 1930er Jahre komme, ist es Zeit, ein Resümee zu ziehen über Hitchcocks fünf Jahre währende Zusammenarbeit mit British International Pictures (1927-1932) (wenn Allen/Ishii-Gonzáles schreiben: "His time with Balcon was followed by nine years working for John Maxwell and British International at Elstree", dann ist das offensichtlich falsch bzw. eine Verwechslung von Jahren - fünf - und Filmen - neun; siehe Allen/Ishii-Gonzáles 15).
1925 waren die Elstree Studios von Herbert Wilcox und James Dixon Williams gegründet und im Nordwesten von London angesiedelt worden (wo sie noch heute existieren). Ein Jahr später wurde dort der erste Spielfilm fertig gedreht, Madame Pompadour (Regie führte Produzent Wilcox selbst; der Film scheint verschollen zu sein). Es gab finanzielle Engpässe und Schwierigkeiten mit südafrikanischen Investoren ("Williams fell out with his South African investors resulting in the departure of both he and Wilcox", wie man auf der Elstree Studios-Webseite liest) und so gingen die Elstree Studios 1927 über an den schottischen Anwalt und Produzenten John Maxwell, der hier die British International Pictures gründete.
Maxwell war es, der 1927, gleich im Gründungsjahr von BIP, Hitchcock abwarb und zum bestbezahlten Regisseur Englands machte, mit einem Jahresgehalt von £13.000 (Adair 34). Doch wer sich die Filme anschaut, die Hitchcock dort drehte (bzw. auch drehen musste), merkt schnell, dass das Verhältnis von Maxwell und Hitchcock schnell abkühlte. In seinem Interview mit Truffaut erwähnt Hitch Maxwell nur zwei Mal namentlich. Bei der ersten Episode lehnte Maxwell Hitchcocks Filmidee zu einer Bulldog Drummond-Geschichte ab (Truffaut 74). Das zweite Mal, dass Maxwell erwähnt wird, handelt davon, wie Hitch Maxwell Filmrechte billig abkaufte, um sie dann teuer weiterzuverkaufen, nicht gerade das, was man mit Freunden tut... (Truffaut 75). Auch erwähnt er ihn manchmal indirekt, etwa wenn er in Blackmail das Schüfftan-Verfahren einsetzte, ohne den Produzenten (also Maxwell) davon zu berichten, da diese es eh nicht verstanden und dann verboten hätten (Truffaut 58).
Bei neun Filmen saß Hitchcock im Regie-Stuhl für BIP. Der größte Teil davon zählt zu dem Schlechtesten, was Hitch je abgeliefert hat. Meine Abneigung gegen den erschreckend uninspirierten Juno and the Paycock habe ich hier zum Ausdruck gebracht - für mich der schlechteste aller Hitchcock-Filme (0 Messer). Auch The Ring ist trotz einiger netter Ideen und eines gewinnend jovial lächelnden Hauptdarstellers (Carl Brisson) eher trostlos (1 Messer). Mit The Farmer's Wife und The Skin Game drehte Hitchcock zwei weitere unterdurchschnittliche Filme für BIP (2 Messer). Der total konfuse Number Seventeen, der das Ende der Zusammenarbeit markierte, krankt an seiner schlechten Handlungsführung (3 Messer). Champagne ist besser als sein Ruf, aber dennoch kein Meisterwerk (4 Messer). Rich and Strange gefiel mir eigentlich sehr gut, aber der Film wollte letztlich mehr als liefern konnte (5 Messer). Wirklich hervorstechen aus der Masse können nur die beiden Filme The Manxman als einfühlsames Beziehungsdrama und Murder! als packend inszenierter Whodunit (je 6 Messer).
Die Bilanz der Zusammenarbeit von Hitchcock und Maxwell ist also trostlos. In meiner Messer-Bewertung bringen es die 9 Filme durchschnittlich gerade einmal auf 3 Messer.
Als Hitchcock Ende 1932 seinen Hut nimmt, war sein bedeutendster Film immer noch sein dritter Film, The Lodger, den er für Michael Balcons Gainsborough Pictures gemacht hatte. Und zu eben jenem Michael Balcon sollte Hitchcock ein Jahr später, 1934, zurückkehren, um eine Reihe von großartigen Filmen zu drehen, meistens Thriller, angefangen mit The Man Who Knew Too Much (1934).
Works Cited (alphabetische Reihenfolge)
- Adair, Gene. Alfred Hitchcock. Filming Our Fears. Oxford, New York: Oxford UP, 2002.
- Allen, Richard, und Sam Ishii-Gonzáles (Hg.): Hitchcock. Past and Future. London, New York: Routledge, 2004.
- Truffaut, François. Mr. Hitchcock, wie haben Sie das gemacht? 1966. Übers. v. Frieda Grafe und Enno Patalas. 2. Auflage. München: Heyne, 2003.
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Kronshage, Eike. "Hitchcock und British International Pictures" Hitchcock: Rewatch 2022, 08.07.2022, https://hitchcock22.blogspot.com/2022/07/hitchcock-und-british-international.html
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