Theatralische Gesten an der Bühnenrampe: Juno and the Paycock ist abgefilmtes Theater |
Daher will ich nicht noch mehr Zeit an diesen Film verlieren und fasse mich hier so kurz wie möglich.
Inhaltsangabe von Juno and the Paycock (1930)
Dublin, Revolutionszeit. "Captain" Boyle (Edward Chapman) ist arbeitslos und trinkt gerne zusammen mit seinem BFF Juxor (Sidney Morgan). Seine Frau Juno (Sara Allgood) hält die Familie zusammen, so gut es geht. Tochter Mary (Kathleen O'Regan) hat eine Affäre mit dem Anwalt Charles Bentham (John Longden, aus Blackmail bekannt), der ein Testament verliest, das der Familie Boyle eine beträchtliche Erbschaft in Aussicht stellt, woraufhin diese auf Pump shoppen geht (Klarna-Style: Buy now pay later). Ja, es passiert das Unausweichliche, das Geld kommt doch nicht, die Schulden bleiben. Der Sohn Johnny (theatralisch in die middle distance starrend: John Laurie) wird umgebracht (Revolutionswirren, stimmt, da war ja noch der historische Hintergrund), die Tochter wird schwanger von ihrem Anwalt verlassen. Juno bleibt allein "auf der Bühne" und darf einen theaterhaften Schlussmonolog präsentieren. Endlich, der Film ist aus!
Cinematografie in Juno and the Paycock
Null. Der Film ist abgefilmtes Theater. Wirklich wahr, es sind "Fotografien von redenden Leuten (Truffaut 53). Ich hatte schon in früheren Artikeln geschrieben, wie unüberzeugend Hitchcock manchmal als Filmkritiker seines eigenen Werkes auftritt. Hier hingegen ist er vollkommen auf den Punkt. Über Juno and the Paycock sagte er: "Sooft ich das Stück auch las, ich fand einfach keine Möglichkeit, es in einer filmischen Form zu erzählen" (Truffaut 59). Das ist richtig, der Film hat keine "filmische Form". "Mit Kino," fügt Hitchcock hinzu, "hatte das alles nichts zu tun." (60).
"Heilige Jungfrau Maria: Bitte mach, dass dieser Film schnell vorbei ist!" |
Das Stück von Sean O’Casey ist so unfassbar typisch. Es nimmt die Prise Dickens (Elend, Slum, und große Erwartungen) und vermischt sie mit dem Kammerspiel von Ibsen und Hauptmann (ein Zimmer, drei Akte und alles geht unweigerlich vor die Hunde). Ich bin anglistischer Literaturwissenschaftler und konnte mich wirklich nicht im geringsten für dieses Stück interessieren, weil alles so vorhersehbar war. Ab der Szene der Testamentsverlesung hätte ich das Stück mühelos weiterschreiben können. Vielleicht braucht jede Nation ihren Ibsen. So auch Irland. Fair enough, Sean O’Casey. Aber eine Hedda Gabler ist das nicht.
Fazit
Films Cited/Mentioned (in chronologischer Reihenfolge)
- Juno and the Paycock (dir. Alfred Hitchcock) (1930)
- Blackmail (dir. Alfred Hitchcock) (1929)
- Waltzes from Vienna (dir. Alfred Hitchcock) (1934)
Works Cited (alphabetische Reihenfolge)
- Truffaut, François. Mr. Hitchcock, wie haben Sie das gemacht? 1966. Übers. v. Frieda Grafe und Enno Patalas. 2. Auflage. München: Heyne, 2003.
Kronshage, Eike. "Hitchcocks Juno and the Paycock (1929), oder: Hitchcock schämt sich." Hitchcock: Rewatch 2022, 11.06.2022, https://hitchcock22.blogspot.com/2022/06/hitchcock-011-juno-and-paycock-1929.html.
Kommentare
Kommentar veröffentlichen