Direkt zum Hauptbereich

Hitchcock #021: Young and Innocent (1937), oder: Kranfahrt ins Auge

In Young and Innocent lacht der Schurke am Ende ein echtes, theatralisches Schurkenlachen, nachdem Erica (rechts) ihn gerade von der schwarzen Theaterschminke seiner Minstrel-Show befreit hat

Ich schrieb ja schon eingangs, dass dieser Blog aus der Idee eines Hochschulseminars entstanden ist, dass ich im Sommersemester 2022 unterrichtet habe (und das ich ähnlicher Form bereits 2016 unterrichtet hatte). Für einen Seminarplan muss man eine Auswahl treffen. Und die fällt schwer, wenn man möglichst viele Filme zeigen möchte, man aber nur 15 Wochen hat (und zudem das Seminar noch ein oder zwei theorielastige Sitzungen hat sowie das Erbe Hitchcocks in den Blick nehmen möchte). Warum also bei dieser eingegrenzten Auswahl ausgerechnet einen Film wie Young and Innocent aufnehmen? Die idiosynkratische Antwort: Weil ich ihn sehr mag. Die akademischere Antwort: Weil es ein zweifellos ordentlicher Film ist, der aber, anders als The 39 Steps oder The Lady Vanishes, ganz klar kein Meisterwerk ist. Und die weniger großen und gelungenen Filme mitaufzunehmen war auch immer ein Anliegen des Seminars (deswegen unterrichte ich in meinen Shakespeare-Seminaren immer auch gerne Stücke wie King John oder Timon of Athens). Es gibt ein besseres Bild vom Schaffensprozess, wenn man die weniger gelungenen Filme aufnimmt.

Jetzt ist es passiert. Gleich in der Einleitung habe ich den Film, um den es heute gehen soll, kleingeredet. Dabei ist es, ich betone das noch einmal, ein wirklich guter Film. Hitchcock war sich, wie Patrick McGilligan betont, sehr bewusst, dass er nach Young and Innocent für nur noch einen Film bei Gaumont unter Vertrag stand (McGilligan 194). Wieso sollte er sich für diesen Film nicht besonders Mühe geben? Zumal er bereits nach Hollywood hinüberschaute. Ein schlechter britischer Film wäre da keine gute Visitenkarte gewesen. Nein, Hitchcock ist bei Young and Innocent ganz bei der Sache und ganz in seinem Element. Es ist in vielerlei Hinsicht ein sehr typischer Hitchcock-Film. Und ein unterhaltsamer noch dazu. 

Inhaltsangabe von Hitchcocks Young and Innocent

Der Film greift eins der zentralen Hitchcock-Motive auf: Der zu Unrecht verdächtigte Mann (wir kennen es aus Filmen wie The Lodger, Downhill, The 39 Steps – und das Motiv wird uns in späteren Filmen, wie North by Northwest und The Wrong Man wiederbegegnen). Der junge Robert Tisdall (Derrick De Marney) findet am Strand die Leiche der ermordeten Christine Clay und wird fälschlicherweise für den Mörder gehalten und verhaftet. 

Der Mörder zu Beginn des Films: Das stürmische Meer hinter ihm, die tosende Eifersucht in ihm.
Das letzte Bild, das Christine lebend sehen wird – und das letzte was wir von dem namenlosen Mörder bis zum Finale des Films sehen werden

Als er auf der Polizeiwache das Bewusstsein verliert, hilft ihm die Tochter des Polizeichefs, die junge Erica Burgoyne (Nova Pilbeam, die zuvor mit Hitchcock in The Man Who Knew Too Much zusammengearbeitet hatte). Kurz darauf gelingt Tisdall die Flucht: Er will seine Unschuld beweisen. Dabei gerät er erneut an Erica, die ihm widerwillig hilft. 

Der Film läuft von da an in allerlei Episoden weiter, die die beiden jungen und unschuldigen Menschen durchlaufen: So geraten sie z.B. einmal auf die Geburtstagsfeier von Ericas Cousine und ihre Tante (Mary Clare) riecht Lunte. Doch bevor sie ihre Nichte und deren Begleitung zur Rede stellen können, entkommen die beiden mit Hilfe von Ericas Onkel (Basil Radford), als die Tante zum Blinde-Kuh-Spielen die Augen verbunden bekommt.

Über kurz oder lang geraten sie dem tatsächlichen Mörder auf die Spur (und verlieben sich zusehends ineinander). Das Finale spielt im Ballsaal eines Hotels. Erica hat Hilfe vom Landstreicher Old Will (Edward Rigby) erhalten, der den Mörder identifizieren kann. Sie sitzen am Tisch und blasen Trübsal, weil sie ihn nicht finden können. Da fährt die Kamera in einer beeindruckenden Kranfahrt von ihrem Tisch rüber zum Tanzorchester und in den Close-Up auf die Augen des Schlagzeugers (George Curzon), der sich durch ein nervöses Augenzucken als Mörder zu erkennen gibt ("the visible 'scar' of villainy," wie Richard Allen schreibt [86]).

Erica und Old Will haben die Suche schon fast aufgegeben, da beginnt die Kamera für sie zu suchen

Den Guten in dieser Geschichte gelingt es, den Mörder zu überführen. Und Erica, die zwischen der Liebe zu Robert und dem Pflichtgefühl gegenüber ihrem Vater (Percy Marmont; der schließlich als Polizeichef gegen Robert ermittelt) hin- und hergerissen war, blickt in der Schlussszene fröhlich lachend zwischen beiden hin und her.

The Girl Was Young in den USA

Noch vor Abschluss von Young and Innocent, im Sommer 1937, reiste Hitchcock erstmals in die USA, um sich mit Kay Brown, die als Agentin für David O. Selznick arbeitete, zu treffen, wenngleich zunächst kein Vertragsabschluss zustande kam (Adair 58-59). Der Film sollte also den Anfang vom Ende seiner Britischen Phase einläuten, nur zwei weitere britische Filme folgten. Einer enorm fruchtbaren Filmphase, mit Erfolgen bei Publikum und Kritik gleichermaßen. 

Links: UK
Rechts: US

Und ausgerechnet dieser Film, bei dem Hitchcock bereits seine Fühler nach Hollywood ausstreckte, wurde in den USA unter einem anderen Titel veröffentlicht: The Girl Was Young. Das "Innocent" des Titels hat man fallengelassen, das "Girl" war jetzt nur noch "young". John Billheimer hat belegt, wie stark geschnitten er in die US-amerikanischen Kinos kam: "Although the censors [in England] required relatively few cuts in Young and Innocent (one 'Oh, God,' one 'I wish to God,' and one 'damn'), the film, retitled The Girl Was Young for its American distribution, was inexplicably cut in the United States to reduce its eighty-minute running time" (Billheimer 51).

Die wenigen UK-Schnitte mutmaßlich blasphemischer Sprache sind aus heutiger Sicht eher drollig. Die US-Schnitte hingegen sind in der Tat unerklärlich, wie Billheimer schreibt. Denn man kürzte den ohnehin nicht übermäßig langen Film um etwa zehn Minuten. Wer nun denkt, der Film habe besondere Grausamkeiten enthalten, die man dem US-amerikanischen Publikum nicht zumuten wollen irrt. Denn was gekürzt wurde, war ausgerechnet eine Szene auf einer Kindergeburtstagsfeier, wo alle Blinde Kuh spielen. Die Szene ist humorvoll, spannend und bringt das junge Paar nach klassischem Stolz-und-Vorurteil-Prinzip endgültig zueinander. "Unfortunately, the symbolism, and the charm and suspense of the blindman's bluff scene, were lost for American audiences when it was cut to save ten minutes of running time" (Billheimer 51).

Suspense in Young and Innocent, oder Hitchcock und Aristoteles

Dabei hatte Hitchcock ausgerechnet dieses Szene Truffaut gegenüber als "die ganze Essenz des Films" bezeichnet (Truffaut 102). Was er damit genau meinte, führt er nicht aus. Da er aber unmittelbar nach dieser Aussage dazu übergeht, Truffaut "ein Prinzip des Suspense [zu] erklären" (ibid.), steht zu vermuten, dass die Blinde-Kuh-Szene für ihn den essenziellen Suspense des Films darstellte. Es ist nicht, wie Hitchcock sagt, "ein Prinzip des Suspense," sondern das eine Prinzip. Wenn wir ehrlich sind, besteht Hitchcocks Suspense formal ausschließlich in der Informationsdistribution: Das Publikum weiß mehr als die Charaktere (dramatische Ironie nennt man das in der Literaturwissenschaft). Hier tappt die Tante mit verbundenen Augen durch die Gegend. Der Charakter sieht nicht, was das Publikum sieht. Das Publikum weiß mehr. Daraus generiert sich der Suspense.

"Blinde Kuh": Ein Paradebeispiel für Suspense bei Hitchcock. Die Charaktere sehen (und wissen) weniger, als das Publikum

In dieser laut Hitchcock so essenziellen Szene fallen Suspense (die Tante ahnt nur, was wir wissen) und die Produktion des Liebespaars zusammen. Es ist vielleicht gerade daher für Hitchcock so essenziell, da hier zwei Strukturelemente des Films (fast aller seiner Filme) zusammenfallen, so wie bei Aristoteles in der besten Tragödie Anagnorisis (also ebenfalls eine epistemische Kategorie) und Peripetie (eine Handlungswendung) zusammenfallen. 

Dass für Hitchcock dieser Zusammenfall von Form und Inhalt als Essenz galt, ist angesichts der Tatsache, dass seine Filme, zumal seine frühen, letztlich Liebesfilme sind, nicht verwunderlich. Sie handeln von der "Initiationsreise des Paares," so Slavoj Žižek (15). Die Funktion dieser Filme bestehe "letztlich nur darin, das Liebespaar auf die Probe zu stellen und dessen schließliche Vereinigung möglich zu machen. Sie sind immer Geschichten eines Paares, das durch Zufall verbunden worden ist" (Žižek 15-16). Der Zufall will es auch, dass sie, Elizabeth Bennet und Fitzwilliam Darcy gleich, sich zunächst einmal nicht mögen (meistens tatsächlich, weil sie stolz sind und Vorurteile haben). Im Laufe der Ereignisse des Films wächst ihre Liebe, Stolz und Vorurteil können überwunden werden: Das Liebespaar wird produziert. Die Essenz des Films (und damit von Hitchcocks Suspense) ist also von Jane Austen übernommen. Hitchcock als Jane Austen-Fan.

Blickachsen zu Beginn des Films: Erica steht fast immer über Robert (siehe Pfeilrichtung)

Die Dynamik zwischen beiden entwickelt sich dabei in klassischer Hitchcock-Manier recht konservativ. Die Blickachsen zu Beginn des Films zeigen Erica, die selbstbewusste und zupackende Frau, erhöht. Je zielsicherer sie in den Hafen der Ehe einläuft, desto klarer verkehrt sich diese Achse: Tisdall ist jetzt oben, Erica unten. Der Widerspenstigen Zähmung?

Blickachsen ab der Mitte des Films: Erica steht fast immer unter Robert, sie hat begonnen, sich ihrem künftigen Ehemann unterzuordnen (siehe Pfeilrichtung)

Zusätzliches Zeichen von Ericas Unabhängigkeit als Frau ist ihr Auto. Schon 1937 fährt sie allein durch die Gegend, weiß, wie man einen Motor repariert und macht sich gerne dabei die Finger schmutzig. Bezeichnenderweise bricht ihr Auto gegen Ende des Films in einem alten Bergwerk ein. Vorbei ist es mit ihrer Selbstständigkeit. Robert, ihr künftiger Verlobter, muss sie retten. Die konservativen Geschlechterrollen sind wiederhergestellt.
 
Ericas Auto, Zeichen ihrer Selbstständigkeit, ist unwiederbringlich verloren. Der männliche Held kann sie aber retten...

Kranfahrt ins Auge

Filmkritiker*innen bewundern immer wieder diese Kranfahrt (die Hitchcock später in Notorious auf ähnliche Weise wiederholen würde). Truffaut sagt, "Alle fanden sie großartig" (104) und Hitchcock präzisiert: "Das ist die Sprache der Kamera, die an die Stelle des Dialogs tritt" (ibid.). Ulrich Kriest spricht auch von einer "spektakulären Kamerafahrt" (291). Und die frühen französischen Hitchcock-Kritiker Eric Rohmer und Claude Chabrol bezeichnen die Szene gar überschwänglich als "the most beautiful forward track to be found in the history of film" (52).



Während die Kamera suchend durch den Raum fährt und dem Publikum mehr Einsicht gewährt, als den Charakteren (Hitchcocks Suspense), singt der Sänger der Band wiederholt sein Lied: "I'm right here, [...] the drummer man" und beantwortet damit auf ironische Weise Ericas Frage: Wo ist der Mörder mit dem nervösen Augenzucken ("He must be here somewhere!"). Das ist humorvoll, weil hier gleich mehrfach visuelle (Augenzucken, Kranfahrt) und auditive (das Lied) Signale vom Publikum erkannt, von den Charakteren aber stur übersehen werden. 

Erica und Old Will suchen, die Kamera findet: Den Mörder

Endlich sehen wir den namenlosen Mann aus der Eingangsszene wieder. Im Verlauf des Films hat er keine Rolle mehr gespielt. Beinahe haben wir ihn vergessen. Der Mord: Fast ein MacGuffin. Um ihn uns in Erinnerung zu rufen, fährt Hitchcock betreibt Hitchcock diesen beachtlichen filmischen Aufwand. Ach ja, stimmt, der war auch noch da! Und das alles ohne eine einzige Zeile Dialog. Die Szene macht selbst heute, 85 Jahre später, noch sprachlos. 

Ärgerlich aus heutiger Sicht ist fraglos das black facing der Band, typisch für Minstrel Shows der Zeit.  Wie typisch diese Darstellungen waren, zeigt allein schon der Blick in die Filmhistorie: Der erste Tonfilm von Spielfilmlänge war 1927 The Jazz Singer (Regie: Alan Crosland), in dem Hauptdarsteller Al Jolson wiederholt in Blackface auftritt und so diese rassistische Praktik für immer mit einem zentralen Augenblick der Filmgeschichte verbunden hat. Bei Hitchcock ist die Maskerade natürlich in erster Linie ein Handlungselement, um den Mörder zu tarnen und seine Überführung zu erschweren. Es bleibt jedoch ein Ärgernis für diese ansonsten brillant gefilmte Szene – wirklich eine der schönsten in der Filmgeschichte, wie Rohmer und Chabrol richtig behaupten – dass sie in die unangenehme Nahaufnahme eines schwarz geschminkten Weißen geht. 

Fazit

Kurzweilig. Das ist fraglos das beste Adjektiv, um diesen Film zu beschreiben. Abgesehen von der bis heute stark beeindruckenden Kranfahrt sowie der Szene, in der Ericas Auto in eine Grube stürzt, bleibt sicherlich nicht viel hängen. Aber die Dynamik zwischen Nova Pilbeams Erica und Derrick De Marneys Tisdall ist wirklich gelungen und trägt den Film über weite Strecken (er in der dt. Synchro übrigens mit schnurrend-schöner Stimme von Norbert Langer gesprochen).

Hitchcocks Cameo mit Kamera

Auch ist er ein munterer Tummelplatz für Elemente, die selbst weniger versierte Zuschauer*innen als typische Hitchcock-Elemente identifizieren werden: Unfähige Polizisten, der zu Unrecht verdächtigte Unschuldige (the wrong man), die Stolz-und-Vorurteil-hafte Liebesgeschichte, die zahllosen Metareferenzen (aufs Theater zu Beginn, auf filmische Kunst, wenn Hitchcocks Cameo ihn mit einer Kamera in der Hand zeigt usw.), die Elemente des Suspense, der Humor und auch der MacGuffin (hier: der Mord!)... Es ist tatsächlich ein kurzweiliger, aber sehr typischer Hitchcock-Film. 

Ich schaue ihn alle drei bis vier Jahre immer wieder gerne an und freue mich über zahllose Details, die ich in der Zwischenzeit vergessen habe (etwa der Hund!). Er ist so vergnüglich und heiter, ohne flach zu sein, so dass ich dem Film eine Empfehlung geben möchte, auch wenn er kein Meisterwerk ist. Ich gebe ihm knappe sieben Messer. 

Wirklich, er ist besser, als die meisten ihn in Erinnerung haben. Und wer ihn noch nicht kennt, wird ihn sehr bestimmt auch hochgradig unterhaltsam finden. Kurzweilig ja, aber herrlich unterhaltsam. Das ist für einen Kinofilm nicht wenig wert! 

Films Mentioned (chronologische Sortierung)

  • The Lodger (dir. Alfred Hitchcock) (1927)
  • Downhill (dir. Alfred Hitchcock) (1927)
  • The Jazz Singer (dir. Alan Crosland) (1927)
  • The Man Who Knew Too Much (dir. Alfred Hitchcock) (1934)
  • The 39 Steps (dir. Alfred Hitchcock) (1935)
  • Young and Innocent (dir. Alfred Hitchcock) (1937)
  • The Lady Vanishes (dir. Alfred Hitchcock) (1938)
  • Notorious (dir. Alfred Hitchcock) (1946)
  • The Wrong Man (dir. Alfred Hitchcock) (1956)
  • North by Northwest (dir. Alfred Hitchcock) (1959)

Works Cited (alphabetische Sortierung)

Bildnachweise: Ich bin nicht der Rechteinhaber der hier wiedergegebenen Bilder. Keine Verletzung von Urheberrechten beabsichtigt. Bildzitate nach "fair use"-Regelung. 

Sie möchten diesen Artikel zitieren? Hier ist das Format nach MLA (9th ed.):
Kronshage, Eike. "Hitchcocks Young and Innocent (1937), oder: Kranfahrt ins Auge." Hitchcock: Rewatch 2022, 30.08.2022, https://hitchcock22.blogspot.com/2022/08/young-and-innocent-kranfahrt-ins-auge.html.

Kommentare

Beliebte Posts aus diesem Blog

Hitchcock #030: Lifeboat (1944), oder: Hitchcocks Floß der Medusa

Man ist sicher nicht überrascht, dass Hitchcock es schafft, zu schockieren : Ein Messer unter der Dusche, bedrohliche Vogelschwärme, eine Verschwörung im Zug... all das identifizieren wir als "typisch Hitchcock", all das schockiert auf seine je eigene Weise. Aber Hitchcocks Lifeboat  ist brutal und schockiert aus anderen Gründen als Psycho , The Birds oder The Lady Vanishes . Er befriedigt nämlich solche Kritiker*innen, die Hitchcock immer verächtlich die "Wahrscheinlichkeitskrämer" genannt hat – also die Leute, die seinen Filmen vorhalten, total unwahrscheinliche Geschichten zu erzählen (zum Leben erwachte Mütter töten unter der Dusche, Vogelschwärme attackieren ein harmloses Dorf, eine internationale Verschwörung entführt eine alte Dame). Lifeboat ist von Hitchcocks bisherigen Filmen fraglos der "realistischste" , wenn man das so sagen kann. Und das macht seine Brutalität umso spürbarer. Die erste Leiche, die wir sehen, ist ein deutscher Offizier. "

Hitchcock #028: Saboteur (1942), oder: Bloß eine Wiederholung?

Im berühmten Finale von Hitchcocks Saboteur baumelt der Schurke an der Fackel der Freiheitsstatue Die Forschungsliteratur zu Hitchcocks Saboteur ist oft nicht sonderlich originell . Ich zitiere hier einige Auszüge (in chronologischer Sortierung; alle Hervorhebungen in Fettdruck stammen von mir): "Among the innumerable and obvious references [in  Saboteur ], we cite the handcuffs and the bridge, which recall  The Thirty-Nine Steps " ( Rohmer und Chabrol 1979 : 68–70) "Ganz offensichtlich ist Saboteur mit The 39 Steps (1935) wie mit North by Northwest (1958) verwandt." ( Oplustil 1999 : 316) "While the story [of  Saboteur ] was yet another reworking of  The 39 Steps , it was at least timely" ( Adair 2002 : 76) "[ Saboteur is]  like The 39 Steps , but set in America" ( McGilligan 2003: 293) "In the broadest terms, its [ The 39 Steps ] basic plot components were clearly borrowed for many of the director's later films, including (most o

Hitchcock #027: Suspicion (1941), oder: Mit Milch gegen die Sucht

Leuchtet das Glas Milch , das Cary Grant in Suspicion die Treppe hochträgt, wirklich so hell, als ob sich eine Lampe darin befindet ?  ... ist die Frage, die sich scheinbar noch niemand gestellt hat. Denn landauf, landab liest und hört man von der genialen Idee, dass Hitchcock das Glas, auf das allein sich die Aufmerksamkeit des Publikums richten sollte, durch eine Lampe im Inneren zum Leuchten gebracht habe. Er selbst hat davon Truffaut erzählt ( Truffaut 133) und seitdem ist diese Behauptung in der Welt. Ob sie jemals jemand nachgeprüft hat, konnte ich nicht herausfinden. Aber ehrlich gesagt... milchiger als Milch sieht das nicht aus (oder mit Loriots berühmten Eheberatungssketch gesprochen, "etwas weißer als weiß").  Das non du père . Der Vater billigt die Ehe zwischen Johnnie (Grant) und seiner Tochter Lina (Fontaine) sicher nicht Ich habe die Szene mehrfach geschaut und finde (einmal mehr), dass Truffaut mit seiner ursprünglichen Vermutung wohl ganz richtig lag, als